Frisch, innovativ und originell sollte er sein: der Jugendstil. Damit wandte sich die Kunstbewegung in der Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert gegen vorherige Gestaltungsansätze. Obwohl der Jugendstil als Epoche der Kunstgeschichte gilt, hatte er nachhaltigen Einfluss auf die Architektur.
Der Jugendstil gilt als Antwort auf verschiedene Entwicklungen des 19. Jahrhunderts. Zur Zeit seiner Entstehung konzentrierte sich die Bewegung überwiegend auf den europäischen Raum. Außerhalb Deutschlands ist der Kunststil als „Art Nouveau“, „Reformstil“ oder „Secessionsstil“ bekannt.
Der Jugendstil widersetzte sich dem parallel verbreiteten Historismus, der vor allem in Frankreich in Extravaganz für das gehobene Bürgertum ausuferte. Zugleich galt der Jugendstil als Gegenbewegung zur Industrialisierung und der damit wachsenden Massenproduktion. Um eine „Ästhetik für jedermann" zu schaffen, schlug die Bewegung eine Brücke zwischen funktionalem Handwerk und künstlerisch verzierten Entwürfen.
In Form von dekorativen Möbeln, Leuchten und Gebrauchsgegenständen fand der Jugendstil seinen Weg in den Alltag vieler Menschen und erlebte zwischen 1890 bis 1910 seine Blütezeit in der Architektur.
Die Bezeichnung geht auf die Münchener Kunst- und Literaturzeitschrift „Die Jugend“ zurück. Im Rahmen der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung im Jahr 1897 wurde der Jugendstil erstmals öffentlich als stilistische Beschreibung für den Pavillon des Architekten Paul Möbius verwendet. Dieser wich mit einer schwungvollen Gestaltung und humoristisch-fantasievollen Motiven von den damals typischen Ansätzen der Baukunst ab. Diese neuen, innovativen Impulse wurden für die Art-Nouveau-Architektur wegweisend.
Die Jugendstil-Architektur war von der Idee bestimmt, dass sich der Zweck des Gebäudes in dessen äußeren Erscheinungsbild widerspiegelt. Schon die Fassade sollte erkennen lassen, was das Gebäude im Inneren bietet.
Bei der Umsetzung ging es um eine gesamtkünstlerische Gestaltung, die auch die Innenausstattung und das Möbeldesign umfasste.
Für die Fassadengestaltung verwendeten Bauplaner häufig Sandstein, in den sich die Verzierungen gut einarbeiten ließen. Neben geometrischen Formen zeigte die künstlerische Ausarbeitung vor allem symbolische Darstellungen von Tieren und Fabelwesen, die bestimmte Eigenschaften oder Tugenden verkörperten. Die Natur diente als beliebtes Vorbild und Stilmittel.
Fließende Linien und florale Ornamente wie Ranken, Blüten- und Blattmotive verleihen dem Stil seinen romantischen, teils verspielten Charme. Wie kreativ der Einsatz solcher Verzierungen aussah, zeigen viele Beispiele in Deutschland und Europa.
Die Casa Batlló in Spanien gilt als eines der bemerkenswertesten Beispiele dieser Stilrichtung und ist zugleich das einzige vollständig im Jugendstil gestaltete Werk von Antoni Gaudí. Nach der Komplettrenovierung der Villa im Jahr 1906 sind auch Einflüsse der orientalischen Architektur unverkennbar. Diese galt als große Leidenschaft des Architekten.
Weitere erstaunliche Bauwerke im Art Nouveau sind zum Beispiel das Wiener Secessionsgebäude, das Horta-Museum in Belgien oder die Synagoge der Rue Pavée in Paris.
Hierzulande gehört unter anderem der Friedrichsplatz in Mannheim zu den bekannteren Werken der Jugendstil-Architektur. Entstanden ist der Platz 1899 auf einer weitläufigen Fläche rund um den Wasserturm. Die Pläne für die Grünanlagen und die umliegenden Arkadenbauten stammen von dem Berliner Architekten Bruno Schmitz.
Das idyllische Ensemble aus Gartenanlage, Pergola und Wasserbecken mit Kaskade und Fontäne verbindet Jugendstil mit barocken Elementen.
Obwohl der Jugendstil nur gut zwei Jahrzehnte Kunst, Design und Architektur prägte, war er für die stilgeschichtliche Entwicklung der frühen Moderne in Deutschland und Europa eine wichtige Bewegung.