Die Romantik ist eine der berühmtesten Epochen. Ob Kunst, Literatur oder Musik, ihr Einfluss ist maßgeblich für die kulturgeschichtliche Entwicklung. Mit Ausnahme der Architekturgeschichte, denn die Romantik-Architektur ist keine eigene Stilepoche, hat aber sowohl den Klassizismus als auch den Historismus geprägt. Lesen Sie alles Wissenswerte über den Einfluss der Romantik auf die damalige Architektur.
Die Romantik wird auch als Epoche des Übergangs und des Umbruchs beschrieben. Um 1800 erwacht das Interesse an der Gotik. So bringt Baumeister Karl Friedrich Schinkel von seinen Reisen nach Italien und Griechenland seine Eindrücke mit, lässt diese zunächst in Gemälde und später in seine Bauten einfließen.
Die traditionelle Architekturtheorie wird von einer sensiblen Architekturästhetik abgelöst, wobei die Empfindungen und Vorstellungskraft des Betrachters im Zentrum stehen und verschiedene Merkmale der Gebäude in der Lage sind, diese Gemütszustände hervorzurufen.
Wer nach typischer Architektur-Romantik sucht, wird allerdings kaum fündig. Denn die Romantik ist kein eigener Baustil wie beispielsweise der Brutalismus. Vielmehr beschreibt der Begriff der Romantik-Architektur die Zeit des auslaufenden Klassizismus und des beginnenden Historismus.
Dennoch, in beiden Epochen – und an deren Schwellen, lassen sich verschiedene Merkmale ausmachen, die auf den Einfluss der romantischen Literatur, Malerei und Musik zurückführen sind.
Typisch sowohl für den Klassizismus als auch für den Historismus sind die Entdeckung der Ruinen als Kulturgut sowie die Popularisierung von Nationaldenkmälern. Vergangene Architekturstile wie die Gotik werden in der Romantik restauriert und neuinterpretiert.
Bei Gebäuden im Stil der Neugotik (1830 – 1900) orientiert man sich an einem idealisierten Bild des Mittelalters uns somit an gotischen Elementen: Skelettbauweise, hohe Fenster, zahlreiche Giebel, spitze Kuppeln und Glasfenster bestimmen die Bauideale.
Ihr Ende findet die Romantik-Architektur mit der Ablösung des romantischen Historismus durch den strengen Historismus.
Der Klassizismus nahm seinen Anfang um 1770, und zwar mit seiner ersten Stilausprägung Louis-seize (Stilrichtung benannt nach dem französischen König Ludwig XVI). Die wiederum hat ihre Ursprünge noch im Rokoko, also der vorherigen Epoche. Ende des 18. Jahrhunderts begann in der Literatur die Romantik, die bis etwa 1835 andauerte. In der Malerei blieb die Romantik bis Mitte des 19. Jahrhunderts erhalten. Gegen Ende des Biedermeier, also um 1840, zog man sich ins Idyll zurück und die Romantik nahm nun auch Einfluss auf die Architektur.
Das blieb bis etwa 1870 so. Zeitgleich entwickelte sich bereits der Historismus, weshalb diese Phase auch als „romantischer Historismus“ beschrieben wird. Ab 1870 setzte dann der strenge Historismus ein, der nicht mehr viel Raum für Romantisches ließ. In der Musik blieb die Romantik allerdings noch bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts erhalten.
Zu den wichtigsten Vertreter/-innen der Romantik-Architektur zählt unter anderem Karl Friedrich Schinkel (1781-1841), die zahlreichen Bauwerke in Berlin verantwortete, wie zum Beispiel das Berliner Gewerbeinstitut und die Schinkelsche Bauakadademie. Außerdem war er am Wiederaufbau zwei berühmter Bauwerke beteiligt, die wir Ihnen gleich noch vorstellen werden. Als Wegbereiter des Historismus gelten vor allem die Briten.
Der Einfluss der Romantik auf die Architektur lässt sich besonders oft an Schlössern, Burgen und Kirchen erkennen. Diese fünf Beispiele stehen stellvertretend dafür.
1. Schloss Stolzenfels, Koblenz
Das neugotische Schloss Stolzenfels im Mittelrheintal in Koblenz ist ein herausragendes Beispiel für die Rheinromantik, die sich auf schwärmerische Weise mit der Landschaft und der Kultur zwischen Mainz und Köln befasst. Nach dem Ausbau und der Renovierung des diente es als Wohnsitz für König Friedrich Wilhelm IV.
2. Schloss Neuschwanstein, Allgäu
Beim Schloss Neuschwanstein handelt es sich um eine idealisierte und romantisierte Vorstellung einer Ritterburg aus dem Mittelalter. Erbaut wurde das Schloss ab 1869 für den bayerischen König Ludwig II., doch er starb noch vor der Fertigstellung. Heute ist Neuschwanstein eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Deutschlands.
3. Burg Rheinstein, Trechtingshausen
An der Geschichte der Burg Rheinstein lässt sich die neue Faszination für Ruinen während der Romantik ablesen. So ist die Burg die erste der verfallenen und zerstörten Rheinburgen, die im Zuge der Rheinromantik wieder aufgebaut wurden. Architekt Schinkel legte dabei besonderen Wert auf den Erhalt der mittelalterlichen Bausubstanz.
4. Kölner Dom, Köln
Auch die versuchte Fertigstellung des Kölner Dom im 19. Jahrhundert lässt sich auf die damalige Faszination für mittelalterliche Bauten zurückführen. 1833 wurde Ernst Friedrich Zwirner zum Dombaumeister berufen und musste die romantischen Ideen von Friedrich Wilhelm IV. mit dem Kostenbewusstsein von Karl Friedrich Schinkel vereinen.
5. St. Patrick’s Cathedral, New York City
Selbst hinter dem großen Teich ist der romantische, neugotische Einfluss sichtbar. Die St. Patrick’s Cathedral in New York City entstand von 1858 bis 1878, doch von 1861 bis 1865 wurde der Bau durch den Amerikanischen Bürgerkrieg unterbrochen. Es handelt sich um die älteste neogotische katholische Kathedrale in Nordamerika.
Noch heute können Sie die Romantik-Architektur überall wiederfinden – besonders bei vielbesuchten Sehenswürdigkeiten wie dem bereits oben genannten Schloss Neuschwanstein. In der modernen Architektur spielt sie zwar keine große Rolle, doch wenn Sie mit offenen Augen durch europäische und amerikanische Städte laufen, erkennen Sie ihren Einfluss an jeder Ecke.