Intelligentes Wohnen und Arbeiten unter einem Dach

Intelligentes Wohnen und Arbeiten unter einem Dach

In einem alten Stuttgarter Industriebau erfüllte sich die vierköpfige Bauherrengemeinschaft den Traum vom stadtnahen Wohnen und Arbeiten unter einem Dach.

Architekt

METARAUM Architekten BDA

http://www.metaraum.de

Standort

Stuttgart, Deutschland

Vergessene Fabrik erwacht zu neuem Leben.

An dem unscheinbaren Gebäude in der Stuttgarter Neckarvorstadt ist man schnell vorbeigelaufen. Ursprünglich diente die zu Beginn des Zweiten Weltkrieges errichtete Fabrik dem ansässigen Autozulieferer Mahle als Gießerei – entsprechend massiv fiel seinerzeit die statische Konstruktion aus. Über die Jahrzehnte entstand rund herum ein Ensemble an neuen und modernen Betriebsgebäuden: das Mahle Quartier. Von außen erweckt der langgestreckte Industriebau daher eher den Eindruck, als sei die Zeit stehen geblieben. Auf den zweiten Blick entpuppt sich das architektonische Relikt jedoch als Revitalisierungsprojekt, das seiner Zeit sogar einen Schritt voraus ist.

Wohnen, Arbeiten und Leben.

Mit der Idee, stadtnahes Wohnen und Arbeiten unter einem Dach zu verbinden, war Architektin Wallie Heinisch samt Partnern vom Stuttgarter Büro METARAUM schon lange auf der Suche nach einer passenden Immobilie. Heinisch ist Teil einer sechsköpfigen Bauherrengemeinschaft, bestehend aus vier Familien mit je eigenen Büros für Energie- und Unternehmensberatung, Kommunikations- und Grafikdesign sowie Architektur. "Die gängigen Wohnformen in der Stadt erlauben es kaum, intensives und verantwortungsvolles Arbeiten mit einem engagierten Familienleben zu vereinbaren", erläutert Heinisch. "Wir möchten aber 'permanent leben'. Das heißt, auf kurzem Weg einen Wechsel zwischen Arbeit und Entspannung schaffen oder umgekehrt – Freizeitaktivitäten und Zeit mit unseren Kindern in den Arbeitstag integrieren."

Dafür suchte die Bauherrengemeinschaft eine günstige Immobilie mit ausreichend Platz. Einerseits um die nötigen Wohn- und Büroräume so zu schneidern, wie es in Mietwohnungen nicht möglich ist, andererseits um eine gemeinsame Betreuung für die Kinder von Bauherren und Mitarbeitern zu ermöglichen. Der charmant-spröde Industriebau war nach 20 Jahren Leerstand für die industrielle Nutzung längst nicht mehr geeignet, ein Abriss zu teuer – für die Architektin war er allerdings ein Glücksgriff. Sowohl seine Grundstücksfläche von über 2.600 m2, die topografische Lage, als auch seine innere Struktur boten die idealen Vorrausetzungen, um den Traum vom integrierten Wohnen und Arbeiten zu verwirklichen.

Durch seine Hanglage schließt das Objekt städtebaulich an zwei Nutzungsflächen an: zur Hangseite an ein Wohn- und auf Straßenniveau an das Gewerbegebiet. Entsprechend sollte die neue Aufteilung des Gebäudes aussehen: Leben auf der Anschlussebene ins Wohngebiet, arbeiten zu Fuße des Industriegebiets. "Das war die ideale Verräumlichung unserer Idee", so Heinisch.

Zusätzlicher Raumgewinn mit einfachen Mitteln.

Der Entwurf von METARAUM sah auf der ca. 4.000 m2 großen Geschossfläche zwei Büros im Erdgeschoss und vier Wohnateliers in den Obergeschossen vor. Zwei Treppenhäuser flankieren das Gebäude im Westen und Osten. Die vormals zusammenhängenden Geschosshallen wurden einzig durch eine mittige Brandschutzwand und ein eingeschobenes Rückgrat aus Gemeinschaftsbereichen auf jeder Ebene untergliedert – die massive Statik der ehemaligen Gießerei machte es möglich. Für die Büro- und Wohnatelierflächen ergaben sich dadurch Grundflächen von je 360 m2. Da die Raumhöhe im Erd- und ersten Obergeschoss mit 4,50 m zu niedrig für den zweigeschossigen Ausbau war, entschied man sich in den Wohnateliers für den Einbau von Galeriemodulen aus Holz, die den Wohn- und Atelierraum auf ca. 400 m2 erweitern.

Die Gemeinschaftsareale verbinden Bewohner und Mitarbeiter nicht nur in architektonischer Hinsicht, sondern schaffen auf jeder Ebene ein anderes Angebot: vom Kinderloft über den Fitnessbereich bis zur gemütlichen Lounge, die tagsüber für geschäftliche Meetings, für hausinterne Besprechungen oder nach Feierabend zum geselligen Austausch genutzt wird. Im Untergeschoss dient ein Veranstaltungsbereich mit knapp 400 m2 ebenfalls den Aktivitäten der Büromitarbeiter, aber auch der Ausrichtung öffentlicher kultureller Veranstaltungen.

Der Innenausbau wird ergänzt durch eine neue Gestaltung der Außenbereiche. Das Stahldach über der rückwärtigen Laderampe wurde entfernt und mit alten massiven Stahlbetonstützen mit angedübelten Stahlkonsolen versehen. Diese tragen die neuen Stahlbetonbinder, welche über den Hof spannen. Eine 400 m2 große Spannbetondecke, die nicht nur als Regenschutz, sondern auch als "Wanne" für die hängenden Gärten dient flankiert das Gebäude in voller Länge.

Dialog mit dem Bestand.

Oberste Maxime während der gesamten Revitalisierung war der behutsame Umgang mit dem Objekt. Das hieß vor allem, so wenig wie möglich, so einfach wie möglich zu verändern. Zum einen, um die Spuren der Geschichte zu bewahren – aber auch, um das Projekt für die Bauherren finanziell überhaupt tragbar zu machen. Unter dem Motto "no money, no details" sollte ein bewusst reduziert gehaltener Um- und Ausbau erfolgen. Der Würde des Hauses angemessen wurde nicht nach rascher Perfektion gestrebt, sondern Stück für Stück Qualität an der richtigen Stelle platziert.

Der respektvolle Dialog mit dem Bestand geschah dabei auf vielfältige Weise: Über den Kontrast der alten und neuen Oberflächen hinaus wurden durch vorsichtiges Zufügen und Wegnehmen spannende räumliche Bezüge geschaffen, zum Beispiel wurde der Blick auf die Rippendecke nur dort freigelegt, wo die gefühlte Raumhöhe durch die frei eingestellten Galeriemodule erhöht werden sollte.

Die industrielle Patina des Hauses blieb in vielen Bereichen erhalten und wurde nur marginal verändert: das heißt gesäubert, lasiert und gesichert. Das reduziert die späteren Instandhaltungskosten des großen Objekts und unterstreicht gleichzeitig seinen markanten Industrie-Look. Erhaltene Relikte aus vergangenen Zeiten wie Hinweismarkierungen, eine Industriewaage, Formkacheln der Waschräume oder die vollständig erhaltene museale Schaltzentrale von 1939 vergegenwärtigen die ursprüngliche Bestimmung des Gebäudes.

Um das riesige Raumvolumen der einstigen Fabrik wirtschaftlich zu betreiben, entschied sich die Bauherrengemeinschaft für ein Niedertemperaturkonzept. Da die bis zu 40 cm dicken Brüstungen aus Bimsleichtbeton bereits dem Standard normaler Wände mit zusätzlicher Wärmedämmung entsprachen, musste nur die Industrieverglasung ersetzt werden. Die energetische Optimierung der Gebäudehülle wird durch innovative Fiberwood-Fensterflächen aus Verbundrahmen-Elementen aus Glasfaser-Kunststoff und Holz ergänzt: Die 15 m2 großen Fensterflächen machen den Großteil der Gebäudefassade aus und verfügen über einen Dämmwert, der je nach Rahmenanteil U=1,0 sogar unterschreitet. Fensterpfosten und -flügel bilden dabei eine ähnliche, sauber durchlaufende Geometrie. Durch die Lisenen entsteht zugleich ein Relief, wie es die ursprünglichen industriell geprägten Fassaden aufwiesen.

Alle Flächen im Objekt werden mit Fernwärme allein über eine Fußbodenheizung beheizt. Für die Verlegung mussten die ruinösen Bestandsböden entfernt und durch ein niedrig aufbauendes Hohlraumboden-System ersetzt werden. Um die Atmosphäre der Räumlichkeiten nicht zu zerstören, wählten die Architekten für die Wohnateliers einen gewachsten Magnesitboden, dessen ungleichmäßiges Farbspiel perfekt mit dem rauen Sichtbeton der Decken harmoniert. Zusätzlich kam in Nassbereichen sowie in den Büroräumen eine Polyurethanbeschichtung in abgestimmten Uni-Farbtönen zum Einsatz. Unter dem neuen Boden versteckt sich außerdem die moderne Elektroinstallation.

Intelligente Gebäudetechnik.

Dabei gibt es für das Verstecken absolut keinen Grund. Denn auch wenn man es der alten Fabrik nicht sofort ansieht, ist sie inzwischen auf dem neusten Stand der Technik: Grundlage dafür ist ein leistungsfähiges KNX System, über das alle elektrischen Komponenten im Haus miteinander verknüpft werden können. Im Loft von Architektin Wallie Heinisch wird deutlich, dass die Gebäudeautomation keineswegs im Gegensatz zu dem Low-Tech-Konzept des Umbaus steht. Vielmehr unterstützt sie die Idee, alles möglichst einfach zu gestalten, indem sie maximalen Komfort und Sicherheit bietet und zugleich dabei hilft, mit Energie bewusst und sparsam umzugehen.

Um ein solches System zu realisieren, bedarf es eines versierten Fachmanns. "Durch frühere Projekte war ich bereits von der Qualität und dem Design der Gira Lösungen überzeugt, aber dieses Mal war die Auseinandersetzung natürlich viel intensiver und emotionaler", berichtet Heinisch. "Mit dem System-Integrator Georg Frühauf von SYS.TEC haben wir einen Spezialisten für die Projektierung der gesamten Elektroinstallation gefunden." Er hat via KNX System alle elektrischen Komponenten miteinander vernetzt – Leuchten, Heizung, Rauchmelder, Sicherheitssystem, Wetterstation und Türkommunikation. Die intelligente Steuerzentrale dahinter ist der Gira HomeServer, bei dem alle Informationen zusammenlaufen und ausgewertet werden.

So schalten Gira Präsenzmelder bei entsprechender Dunkelheit automatisch das Licht an. Auf mehreren Gira Tastsensoren sind überdies spezielle Lichtszenen für verschiedene Situationen und Stimmungen hinterlegt: zum Arbeiten, Kochen, Baden, den gemütlichen TV-Abend oder für den Empfang von Gästen. Über die Funktion "Zentral-Aus" lassen sich beim Verlassen des Lofts oder am Abend alle Energiefresser mit einem Befehl vom Netz nehmen.

Das Gira Türkommunikations-System mit Videofunktion liefert gestochen scharfe Bilder jedes Besuchers. Für zusätzliche Sicherheit sorgen die unter der Decke installierten Gira Rauchwarnmelder und eine Anwesenheitssimulation, die im Urlaub zum Beispiel zufällige Lichtsequenzen abspielt. Durch die Kopplung des Gira HomeServers an das Internet lassen sich alle Funktionen im Haus auch von unterwegs aus steuern – dank einer entsprechenden Gira Interface App via iPhone, iPad, PC oder Smartphone. Störmeldungen und Alarmsignale werden per SMS empfangen.

Mit dem KNX System ist die Bauherrengemeinschaft in dem historischen Objekt bestens auf die Zukunft vorbereitet. Es lässt sich ganz nach Bedarf ergänzen, neue Funktionen und Geräte einfach integrieren und umprogrammieren. Auch die Bürofläche, die bislang nicht auf das System aufgeschaltet ist, kann jederzeit unproblematisch nachgerüstet werden.

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